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Formstrenge als Korrektiv für materiell strenge Regelungen

Kommentierung
Lebensversicherung
Das VVG enthält verschiedene Regelungen, die für die Versicherten einschneidende Rechtsfolgen auslösen können. Das Bundesgericht lässt hier teilweise ausgleichend eine relativ strikte Formstrenge gegenüber den Versicherungsunternehmen, die sich auf diese Regelungen berufen, walten. In einem aktuellen Entscheid hat das Bundesgericht seine Praxis bestätigt und bekräftigt, dass weiterhin eine strenge Optik gilt. Der Entscheid klärt aus Sicht von RA MLaw Soluna Girón zudem das Vorgehen, das von einem Versicherungsunternehmen erwartet wird, wenn es sich auf mehrere Anzeigepflichtverletzungen berufen möchte.
Soluna Girón
iusNet HVR 30.3.2023

Anzeigepflichtverletzung: Fehlende echtzeitliche Unterlagen und Informationen zum Zeitpunkt von Auftritt und Diagnosestellung gesundheitlicher Beschwerden

Rechtsprechung
Lebensversicherung
Für die Beurteilung der Anzeigepflicht ist massgebend, was die Versicherte im Zeitpunkt des Versicherungsantrags wusste oder hätte wissen müssen. Fehlen echtzeitliche Unterlagen und bleibt auch aus späteren Berichten unklar, wann die gesundheitlichen Probleme genau aufgetreten sind bzw. diagnostiziert wurden, kann man keine Anzeigepflichtverletzung annehmen. Dabei kann offenbleiben, ob dem Wissen und Wissenmüssen eines urteilsfähigen Kindes Bedeutung zukommt.
iusNet HVR 30.3.2023

Anzeigepflichtverletzung: Strenge Anforderungen an die Kündigungserklärung

Rechtsprechung
Lebensversicherung
Für die Kündigungserklärung nach einer Anzeigepflichtverletzung gelten strenge Anforderungen. Das Versicherungsunternehmen muss die Kündigung genau begründen. Konkret muss die Erklärung die Frage, die falsch beantwortet wurde, nennen. Ebenso muss sie ausführlich darlegen, worin die nicht oder falsch angegebene wichtige Tatsache besteht. Der blosse Hinweis, dass die gestellten Fragen nicht wahrheitsgemäss und vollständig beantwortet worden seien, sodass keine angemessene Risikobewertung möglich gewesen sei, genügt den Anforderungen offensichtlich nicht. Mehrere Anzeigepflichtverletzungen lösen sodann eigenständige Fristen für die Kündigung aus.
iusNet HVR 30.3.2023

Haftung und Ausschluss der Haftung des Eisenbahnunternehmens für das charakteristische Risiko

Fachbeitrag
Eisenbahnhaftung

Bundesgerichtliche Wertungslinie zur Selbstverantwortung der Verkehrsteilnehmer

In einer Reihe von Urteilen hat sich das Bundesgericht damit befasst, welches das charakteristische Risiko der Eisenbahn sei, das die verschuldensunabhängige Haftung des Eisenbahnunternehmens begründet, und damit, wo diese Haftung endet aufgrund des Verhaltens der geschädigten Personen oder eines Dritten. Das Bundesgericht rechnet den Eisenbahnunternehmen das charakteristische Risiko weit zu; gleichzeitig entwickelt es nach seinen Worten eine «Wertungslinie», wo die Eigenverantwortung der Verkehrsteilnehmer die Haftung verdrängt. Die Konturen dieser Wertungslinie bleiben freilich unklar.
SJZ-RSJ 2/2023

iusNet Haftpflicht- und Versicherungsrecht Kennenlernausgabe

 

Rechtsprechung

 

Strassenverkehrshaftung

Strassenverkehrshaftung

4A_298/2021

Bundesgericht

Bundesgericht
Verjährungsunterbrechung durch ein Rechtsbegehren, das in der falschen Währung gestellt wird
4A_298/2021 v. 8.11.2022
Geldschulden sind nach Art. 84 Abs. 1 OR im gesetzlichen Zahlungsmittel der geschuldeten Währung zu bezahlen. Schadenersatzforderungen gleichen den tatsächlichen Wertverlust aus, den das Vermögen des Gläubigers erlitten hat. Dieser muss seine Anträge in der Währung jenes Staates stellen, in der die Vermögensverminderung eingetreten ist. Reicht er dahingegen ein Schlichtungsbegehren in Schweizer Franken ein, so unterbricht dies die Verjährung hinsichtlich der (gleichen) Forderung in Euro.

 

Krankentaggeldversicherung

Krankentaggeldversicherung

9C_177/2022

Bundesgericht

Bundesgericht
Krankentaggeld: Unzumutbarer Stellenwechsel bei arbeitsplatzbezogener Arbeitsunfähigkeit
9C_177/2022
(Arbeitsplatzbezogen) arbeitsunfähig ist auch, wer die bisherige Tätigkeit nur unter der Gefahr einer Verschlimmerung des Gesundheitszustands weiter verrichten kann. Rät ein Gutachter aufgrund des Risikos einer Akzentuierung der psychischen Symptomatik von der Rückkehr an den früheren Arbeitsplatz ab gilt die Rechtsprechung zum schadenmindernden Berufswechsel sinngemäss. Der verlangte Stellenwechsel nach Aufforderung und Übergangsfrist muss realisierbar sein. Ein Stellenwechsel ist für einen Polier weniger als eineinhalb Jahre vor der Pensionierung nicht realistisch.

 

Lebensversicherung

Lebensversicherung

BV.2019.00082

Sozialversicherungsgericht ZH

Sozialversicherungsgericht ZH
Anzeigepflichtverletzung: bipolare affektive Störung im Anfangsstadium nicht erkennbar
BV.2019.00082
Für die Beurteilung einer Anzeigepflichtverletzung ist nicht entscheidend, dass die Erkrankung rückblickend wohl vor Vertragsabschluss eingetreten ist. Massgebend ist einzig, was die Versicherte im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses hätte erkennen müssen. Im konkreten Fall kann dem Versicherten nicht vorgeworfen werden, dass er seine bipolare affektive Störung im Anfangsstadium hätte erkennen müssen.

 

Arzthaftpflicht

Arzthaftpflicht

4A_315/2022

Bundesgericht

Bundesgericht
Keine Bindung der ärztlichen Aufklärungspflicht an eine bestimmte Form, Schriftlichkeit kann genügen
4A_315/2022 v. 13.12.2022
Im Rahmen einer Nasenoperation trat eine höchst seltene Komplikation auf, die im Nachgang zum Eingriff korrigiert werden konnte. Auf die Möglichkeit einer solchen Operationsfolge hatte der behandelnde Arzt mittels Aushändigung eines Merkblatts hingewiesen, dessen Inhalt jedoch nicht mündlich erläutert. Aufgrund der konkreten Umstände betrachtete das Bundesgericht die Aufklärungspflicht im vorliegenden Fall als erfüllt an und wies die Klage des Patienten ab.

 

Gesetzgebung

 

Strassenverkehrshaftung

Strassenverkehrshaftung
Bund
Teilklage und negative Feststellungswiderklage - Stand der Beratungen zur ZPO-Revision
In BGE 143 III 506 befand das Bundesgericht, dass als Reaktion auf eine Teilklage im vereinfachten Verfahren eine negative Feststellungswiderklage auf die Gesamtforderung zulässig ist, selbst wenn dies einen Wechsel ins ordentliche Verfahren zur Folge hat. Im Rahmen der ZPO-Revision, anlässlich derer der Bundesrat diese Rechtsprechung verschriftete, wurde nun seitens Nationalrats eine wichtige Ergänzung zu den Prozesskosten, die durch diesen Verfahrenswechsel entstehen, eingefügt.

 

Kommentierung

 

Krankentaggeldversicherung

Krankentaggeldversicherung
Bund
Übergangsfrist bei arbeitsplatzbezogener Arbeitsunfähigkeit
9C_177/2022
Ein praktisch häufiges Streitthema in der Krankentaggeldversicherung ist die Pflicht der Versicherten zur Schadenminderung, insbesondere durch Wechsel der Stelle oder des Berufs. Das Bundesgericht hat in einem Entscheid zu den seltenen Taggeldversicherungen nach KVG die diesbezügliche sozialversicherungsrechtliche Rechtsprechung auf einen Fall einer rein arbeitsplatzbezogenen Arbeitsunfähigkeit angewendet. Der Entscheid ist aus Sicht von RA MLaw Soluna Girón in mehrerer Hinsicht bemerkenswert und verdient aufgrund der Auswirkungen auf die in der Praxis dominierende Krankentaggeldversicherung nach VVG einen Kommentar aus privatversicherungsrechtlicher Optik.

 

Lebensversicherung

Lebensversicherung
Kanton
Anzeigepflichtverletzung: Besonderheiten bei schleichend verlaufenden Krankheiten
BV.2019.00082
Ein praktisch häufiges Streitthema in der Lebensversicherung ist die Pflicht der Versicherten zur vorvertraglichen Anzeige von Gefahrstatsachen. Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich hat in einem Entscheid zu diesem Thema die privatversicherungsrechtliche Rechtsprechung auf einen Fall einer schleichend verlaufenden bipolaren affektiven Störung angewendet. Der Entscheid ist aus Sicht von RA lic. iur. Nathalie Tuor aufgrund der Bedeutung für schleichend verlaufende Krankheiten generell einen Kommentar wert.

Anzeigepflichtverletzung: Besonderheiten bei schleichend verlaufenden Krankheiten

Kommentierung
Lebensversicherung
Ein praktisch häufiges Streitthema in der Lebensversicherung ist die Pflicht der Versicherten zur vorvertraglichen Anzeige von Gefahrstatsachen. Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich hat in einem Entscheid zu diesem Thema die privatversicherungsrechtliche Rechtsprechung auf einen Fall einer schleichend verlaufenden bipolaren affektiven Störung angewendet. Der Entscheid ist aus Sicht von RA lic. iur. Nathalie Tuor aufgrund der Bedeutung für schleichend verlaufende Krankheiten generell einen Kommentar wert.
Nathalie Tuor
iusNet HVR 31.1.2023

SIM Jahrestagung 2023

Veranstaltungen
Krankenzusatzversicherung
Lebensversicherung
Donnerstag, 16. März 2023 - 9:00 bis 17:15
"Psychoorganisches Syndrom nach Schädelhirnverletzungen mit Langzeitfolgen" und "die Bedeutung von Abhängigkeitsstörungen und Entzug in der Versicherungsmedizin" Moderation: Dr. iur. Iris Herzog-Zwitter, SIM Bildungsbeauftragte Deutschschweiz Dr. med. Isabelle Gabellon, SIM Bildungsbeauftragte Westschweiz Ort: Für die Teilnehmenden: Hotel Arte in Olten oder online via Zoom (hybrid) Für die Referierenden: Hotel Arte in Olten

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