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Verjährungsunterbrechung durch ein Rechtsbegehren, das in der falschen Währung gestellt wird

Verjährungsunterbrechung durch ein Rechtsbegehren, das in der falschen Währung gestellt wird

Rechtsprechung
Arzthaftpflicht

Verjährungsunterbrechung durch ein Rechtsbegehren, das in der falschen Währung gestellt wird

4A_298/2021 v. 8.11.2022

I. Ausgangslage (zusammengefasst)

Am 3. Mai 2006 wurde die Klägerin und Beschwerdeführerin, die in Frankreich wohnhaft ist, in einem Privatspital in Genf operiert. im Rahmen eines im Juni 2015 eingeleiteten Klageverfahrens, das den aufgelaufenen als auch den zukünftigen Haushaltsschaden und die Genugtuung zum Gegenstand hatte, wurde die Klage schliesslich im Januar 2017 mit der Begründung abgewiesen, dass die Forderung in Euro hätte gestellt werden müssen.

Im März 2018, mithin mehr als 10 Jahre nach erfolgtem Eingriff, reichte die Klägerin aufgrund der gleichen drei Schadenspositionen gegen dieselben Beklagten eine zweite, auf Euro lautende Klage ein. Die erste Instanz wie auch die Berufungsinstanz wiesen diese mit der Begründung ab, die Forderung der Klägerin sei verjährt. Durch das erste Klageverfahren sei die Verjährung hinsichtlich der Forderung in Euro nicht unterbrochen worden. Gegen das letztinstanzliche Urteil führte die Klägerin erfolgreich Beschwerde am Bundesgericht.

II. Erwägungen zur Währung, in der der Gläubiger seine Anträge stellen muss

Der klagende Gläubiger einer Forderung in Euro muss seine Anträge in Euro stellen. Im Bereich der Zwangsvollstreckung verlangt das SchKG hingegen immer die Umrechnung in Schweizer Franken. In Nachachtung des Dispositionsprinzips (Art. 58 Abs. 1 ZPO) ist es dem urteilenden Gericht verwehrt, ein in Schweizer Franken gestelltes Rechtsbegehren in Euro umzurechnen. Dies gilt für alle vertraglichen und ausservertraglichen Fremdwährungsforderungen. Schadenersatzforderungen sollen den tatsächlichen Wertverlust ausgleichen, den das Vermögen eines Gläubigers erlitten hat. Dieser muss seine Rechtsbegehren in der Währung des Staates stellen, in der die Vermögensverminderung eintritt. Wird die Forderung fälschlicherweise in Schweizer Franken gestellt, ist sie abzuweisen. Der Gläubiger kann hingegen eine weitere Klage in der ausländischen Währung einreichen, wobei der Gegenstand der neuen Klage nicht identisch ist mit dem Gegenstand des ersten Urteils in Schweizer Franken, mithin keine materielle Rechtskraft i.S.v. Art. 59 Abs. 2 lit. e ZPO vorliegt (E. 5).

III. Erwägungen zur Verjährungsunterbrechung

Um die Verjährung nach Art. 135 Ziff. 2 OR zu unterbrechen, muss der Gläubiger seine Absicht, seine Forderung geltend zu machen, durch eine der verjährungsunterbrechenden Handlungen gegenüber einer Behörde bekannt geben. Diese Handlung muss die Forderung individualisieren, wie dies auch im Betreibungsbegehren erfolgt: Dieses muss den Betrag der Forderung (in Schweizer Franken) und den Verpflichtungsgrund angeben, wenn der Gläubiger über keinen Titel verfügt, der ihn belegt (Art. 67 Abs. 1 Ziff. 3 und 4 SchKG). Das Schlichtungsbegehren und die Klage müssen in den Rechtsbegehren den geforderten Betrag und in ihren Tatsachenbehauptungen die Grundlagen der Forderung angeben.

Im Lichte des Vertrauensgrundsatzes wirkt die unterbrechende Handlung auch gegen eine falsch bezeichnete Partei, wenn deren Identität klar erkennbar ist. Die unrichtige Bezeichnung kann berichtigt werden, wenn für den Richter und die Parteien kein vernünftiger Zweifel an der Identität der Partei besteht, insbesondere wenn sich diese aus dem Streitgegenstand ergibt. Gleiches muss für eine in ausländischer Währung geschuldete Forderung gelten, wenn ein Gläubiger rechtzeitig eine erste, auf Schweizer Franken lautende Klage an eine Schlichtungsbehörde richtet. Damit hat der Gläubiger einer amtlichen Stelle seine Absicht kundgetan, die Zahlung seiner Forderung zu erwirken und der Schuldner hat diese Absicht verstanden oder hätte dies nach dem Vertrauensprinzip verstehen müssen. Die Forderung ist hinreichend individualisiert. Auch ein in Schweizer Franken gestelltes Betreibungsbegehren unterbricht die Verjährung einer in ausländischer Währung geschuldeten Forderung, weshalb dies auch für das Schlichtungsbegehren gelten muss.

iusNet HVR 31.1.2023