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Formstrenge als Korrektiv für materiell strenge Regelungen

Formstrenge als Korrektiv für materiell strenge Regelungen

Kommentierung
Lebensversicherung

Formstrenge als Korrektiv für materiell strenge Regelungen

Die Zuständigkeitsregelung von Art. 73 Abs. 1 lit. b BVG gehört zu den Unregelmässigkeiten im System des Schweizer Versicherungsrechts. Normalerweise beurteilen Zivilgerichte materiell privat(versicherungs)rechtliche Streitigkeiten. Im Bereich der Säule 3a verdrängt aber aufgrund der genannten Norm die öffentlichrechtliche Zuständigkeit der Sozialversicherungsgerichte aus der zweiten Säule die ordentliche Zivilgerichtszuständigkeit (ähnlich der freiwilligen Regelung von Art. 7 ZPO betreffend die Zusatzversicherungen zur sozialen Krankenversicherung). Für die dritte Säule kommt es somit zu einer Zweiteilung der Zuständigkeit nach Säule 3a und 3b. So prägen sowohl die Zivilgerichte als auch die Sozialversicherungsgerichte und letztinstanzlich die bisherigen sozialrechtlichen Abteilungen des Bundesgerichts die Anwendung des VVG.

Das hier kommentierte Urteil der zweiten sozialrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts befasst sich mit der Anzeigepflichtverletzung nach Art. 4 ff. VVG. Dabei handelt es sich um eine der Regelungen im VVG, die für Versicherte – in den Worten des Bundesgerichts – «schwerwiegende Folgen» auslösen können. Deshalb rechtfertige es sich, bei der Beurteilung der Anzeigepflichtverletzungskündigung einen strengen Massstab anzulegen. Das Bundesgericht überträgt somit gewissermassen die materielle Strenge der Regelung gegenüber den Versicherten als formelle Strenge auf das Vorgehen der Versicherungsunternehmen im Zusammenhang mit einer möglichen Anzeigepflichtverletzung.

iusNet HVR 30.3.2023

 

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